Pro-Kopf-Budget für Plastik:

Ein Schritt aus der Krise?

Plastik produziert Negativschlagzeilen. Doch eine kunststofffreie Welt erscheint bei differenzierter Betrachtung weder realistisch noch erstrebenswert. Das Projekt PlastikBudget zielt auf einen neuen Ansatz zum verantwortungsvollen Umgang mit dem Werkstoff unseres Zeitalters. Die Röchling Stiftung war bei der Auftaktkonferenz.

Für Treibhausgase gibt es Emmissionsgrenzen. Die Wissenschaft hat ziemlich genau berechnet, wie viel Kohlendioxyd die Menschheit in den kommenden Jahrzehnten ausstoßen darf, um eine bestimmte Erderwärmung nicht zu überschreiten. Ein Budget also. Auf dieser Grundlage treffen und legitimieren Staaten ihre Entscheidungen. Bei Kunststoffemissionen gibt es solche definierten Grenzen und Ziele nicht. Warum eigentlich nicht?

Das fragte sich das Forscherteam um Jürgen Bertling von Fraunhofer UMSICHT. In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt PlastikBudget beschäftigen sich die Wissenschaftler vor allem mit der Frage, welche Menge an Kunststoff in der Umwelt gerade noch akzeptabel ist und wie lange Kunststoffe in der Umwelt bis zum vollständigen Abbau präsent bleiben. Aus der Beantwortung dieser Fragen soll ein nationales Pro-Kopf-Budget, das PlastikBudget errechnet werden.

Begleitet wird das Projekt von einem Team aus Soziologen und Kulturwissenschaftlern des Kulturwissenschaftlichen Instituts (KWI) Essen. Sie untersuchen die gesellschaftliche Akzeptanz, Konsensfähigkeit und Beteiligungsmöglichkeiten des Projekts.

Dass Kunststoffabfall die Welt bereits nachhaltig verändert hat, zeigt auch die geisteswissenschaftliche Debatte um Kunststoff als Marker der Epoche des Anthropozän. Seit 2016 diskutieren Geologen und Historiker darüber, was das ausgerufene Zeitalter des modernen Menschen kennzeichnet. Franz Mauelshagen vom Institute for Advanced Sustainability Studies in Potsdam kann sich Technofossilien und damit Kunststoff als Marker unseres Zeitalters vorstellen. Wo bisher in Sediment- und Gesteinsschichten biologische Fossilien zu finden sind, stößt man heute bereits auf Plastik. Damit wird Kunststoff auch zum Forschungsgegenstand von Historikern und Geologen der Gegenwart und Zukunft.

Dass Plastik zurzeit mehr als Fluch statt als Segen aufgefasst wird, sei maßgeblich der Assoziation und Handhabe der Wegwerf-Gesellschaft geschuldet. Aus dieser Erkenntnis leitet sich nach Auffassung der im Projekt beteiligten Wissenschaftler die Herausforderung ab: den Werkstoff mit seinen Vorteilen in Medizin, Ernährung, technischer Innovation und Mobilität zu schätzen und zugleich langlebigere Varianten und umweltverträglichere Alternativen sowie eine Reduktion herbeizuführen.