Interview der Röchling Stiftung mit Dr. Federica Bertocchini
Die Wissenschaftlerin Dr. Federica Bertocchini und ihre Kollegen Paolo Bombelli und Christopher J. Howe haben im April 2017 eine Entdeckung im spanischen Fachmagazin „Current Biology“ veröffentlicht, die viel öffentliche Aufmerksamkeit gewonnen hat: Dr. Federica Bertocchini entdeckte zufällig, dass der Wachswurm Galleria mellonella den Kunststoff Polyethylen biologisch abbaut. Polyethylen und Polypropylen machen 92 Prozent der weltweiten Plastikproduktion aus – und sind bisher kaum biologisch abbaubar. Dr. Federica Bertocchini stand uns Frage und Antwort zu ihrer Entdeckung, die ein großer Hoffnungsträger im Kampf gegen die Bekämpfung der Umweltverschmutzung durch Plastik darstellt.
In einigen Artikeln heißt es, dass Sie eigentlich gerade Bienenwachs untersuchten, als Sie die berühmte Entdeckung machten. Würden Sie uns beschreiben, wie genau Sie entdeckt haben, dass die Große Wachsmotte Plastik frisst?
Ich habe nicht Bienenwachs untersucht. Mein Hauptuntersuchungsgebiet ist die frühe Entwicklungsphase von Wirbeltieren anhand von Hühnerembryos. Die Entdeckung war zufällig: Ich bin Hobby-Imkerin und bewahre meine Bienenstöcke zu Hause auf, natürlich frei von Bienen. Als ich die Honigwabe gereinigt habe, bemerkte ich, dass sie von Wachswürmern befallen waren. Dies schien mir zunächst nicht ungewöhnlich. Sie sind eine echte Plage für Imker. Ich legte die Würmer in eine Plastiktüte und nach einer Weile stellte ich fest, dass die Tüte durchlöchert war und die Wachswürmer überall in meiner Wohnung waren.
Meinen Sie, die Medien bauschen Ihre Entdeckung größer auf, als sie eigentlich ist?
Diese Entdeckung ist Teil einer ganzen Forschungsreihe, den Plastikabbau durch Mittel in der Natur betreffend. Zu Beispiel wurde vor drei Jahren von einer chinesisch-amerikanischen Forschergruppe entdeckt und auch veröffentlicht, dass ein anderer Schmetterling in der Lage ist, Polyethylen abzubauen, wenn auch durch einen längeren Zeitraum hinweg. Vergangenes Jahr entdeckte eine japanische Forschergruppe zwei Bakterien, die Plastik abbauen können. Es eröffnen sich also eine Reihe Forschungsgrundlagen, die uns helfen können, zukünftig Antworten zu finden. Unsere Forschung ist Teil dieser Art von Forschungsgebieten.
Rein theoretisch gefragt: Könnte die Galleria mellonella unsere Lösung für unser Problem der Umweltverschmutzung sein? Wie schätzen Sie ihr Potential ein?
Wir müssen die molekularen Bauteile analysieren, die für diesen Effekt verantwortlich sind. Wenn wir das aufgedeckt haben, könnten wir es schaffen, das hypothetische Molekül in großen Mengen zu produzieren und somit Plastik biologisch abzubauen. Derzeit sind wir jedoch in der ersten Phase, der Beobachtung. Von hier bis zur vermeintlichen biotechnologischen Anwendung wird einige Zeit vergehen.
Wie viele Raupen würde man theoretisch brauchen, um die Umweltverschmutzung durch Plastik dauerhaft zu bekämpfen?
Das wissen wir nicht. Die Idee, die Raupen selbst hierzu zu nutzen, ist für uns keine Alternative: Sie sind eine Plage für die Umwelt, daher kann man nicht einfach Millionen Würmer in den Kampf der Umweltverschmutzung werfen – das natürliche Gleichgewicht muss respektiert werden.
Wie verdauen die Raupen das Plastik? Scheiden sie eine Form von Plastik aus? Wie viel Plastik kann eine Raupe am Tag fressen und ist es für sie eine Nahrungsquelle oder gefährlich? Wissen Sie von weiteren Kunststoffen, die biologisch abbaubar sind?
Das wissen wir alles noch nicht. Das sind Fragestellungen, die man noch erforschen muss.
Haben Sie zuvor in den Themengebieten „Kunststoffe“ und „Umweltverschmutzung durch Plastik“ geforscht?
Nein, das habe ich nicht.
Werden Sie selbst der Sache nachgehen und forschen oder werden das ihre auf dem Gebiet spezialisierten Kollegen tun?
Ich werde gemeinsam mit spezialisierten Kollegen daran arbeiten.
Wie geht es weiter?
Jetzt gilt es, die molekularen Mechanismen, die für den biologischen Abbau von Plastik verantwortlich waren, zu untersuchen.
Decken die Medien dieses Thema Ihrer Meinung nach ausreichend ab?
Seit ein paar Jahren wird vermehrt über Umweltverschmutzung durch Plastik und auch allgemein Umweltverschmutzung diskutiert. In Anbetracht der dramatischen Situation unseres Planeten, kann man nicht genug über Klimawandel und Umweltverschmutzung sprechen. Die Medien sollten noch mehr darüber sprechen und zum Handeln motivieren.
Halten Sie auch Vorträge? Sammeln Sie finanzielle Unterstützung, um auf dem Forschungsgebiet fortzuschreiten?
Wir sind nun in genau dieser Phase, in der wir nach Sponsoren für unsere Arbeit suchen.