Interview mit Helmut Schmitz, Kommunikationschef beim Grünen Punkt

“Wir können uns nicht hinter anderen verstecken”

Es gab mal eine Zeit, da hatte jeder Haushalt in Deutschland mit dem Grünen Punkt zu tun. 1990 baute das Unternehmen als Monopolist die weltweit erste flächendeckende Sammlung von Verpackungsabfall auf. Das so genannte Duale System sollte nach der Einführung der Verpackungsverordnung den Handel und die Industrie von der Rücknahme und Entsorgung aller Verkaufsverpackungen entlasten. Der Plan ging auf.

Heute gibt es das Monopol nicht mehr, aber der Grüne Punkt steht noch immer symbolisch für eine systematische Erfassung und Verwertung von Verbrauchsverpackungen. Gerade das Fehlen vergleichbarer Systeme in den Schwellenländern Südostasiens gilt als eine der wesentlichen Ursachen für Plastik in der Umwelt.

Eine Delegation der Röchling Stiftung stattete dem noch immer sehr erfolgreichen Recyclingunternehmen einen Besuch ab und sprach mit Kommunikationschef Helmut Schmitz über lokale und globale Aufgaben.

Ihr Unternehmen hat die flächendeckende Erfassung von Verpackungsmüll in den Haushalten maßgeblich aufgebaut. Wo sehen Sie die nächsten Herausforderungen für eine verbesserte Kreislaufwirtschaft in Deutschland und anderen Industrieländern?

Das Thema Kunststoff steht seit Monaten im Fokus der Öffentlichkeit. Der Plastikkonsum erscheint immer problematischer, weil uns die Bilder von vermüllten Südseeinseln und von sterbenden Seevögeln täglich in den Medien begegnen. Zu viele Unternehmen warten immer noch ab, ob der Verbraucher denn wirklich seine Kaufentscheidung am Regal an Themen wie Recyclingfreundlichkeit einer Verpackung oder den Einsatz von Rezyklat knüpft. Neueste Studien geben da klare Antworten. Auch scheint für manche die Erfüllung der neuen Recyclingquoten nicht als Aufgabe verstanden zu werden, sondern man stellt sich lieber der realistischen Bedrohung einer Kunststoffsteuer, dabei hätten wir es gemeinsam in der Hand.

Der Grüne Punkt stellt inzwischen unter der Marke „Systalen“ selbst Granulate aus Kunststoffabfällen her und bietet sie der Industrie als Werkstoff an. Können Rezyklate auf Dauer neu produzierte Kunststoffe nennenswert reduzieren helfen?

Kunststoff ist ein enorm vielseitiger Werkstoff. Er ist nicht so einfach zu ersetzen. Wir müssen ihn deshalb verantwortungsvoll und als hochwertigen Werkstoff nutzen: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Und das, was wir nutzen, das sollten wir immer wieder einsetzen, im Kreislauf führen, sodass Plastik nicht als Müll anfällt. Wenn wir Kunststoff als das betrachten, was er ist, nämlich ein wertvoller Rohstoff, dann werden wir ihn auch so behandeln und damit verhindern, dass er in die Umwelt gelangt.

Das Verpackungsgesetz ist deshalb ein Schritt in die richtige Richtung. Es hebt die Recyclingquoten deutlich an und es fördert zum ersten Mal die recyclingfreundliche Gestaltung von Verpackungen und den Einsatz von Rezyklaten. Wir bringen schon jetzt Kunststoffe aus dem Gelben Sack wieder als Verpackung ins Regal zurück. Die von Werner & Mertz gegründete Recyclat-Initiative hat gezeigt, wie es geht, vor allem weil sie vom Produktentwickler über den Verpackungshersteller, den Recycler und letztlich den Verbraucher alle mit ins Boot geholt hat. Einige weitere Hersteller folgen inzwischen diesem Beispiel und setzen Rezyklate für ihre Verpackungen ein. Oder sie experimentieren zumindest damit. Genau solche Initiativen sind es, die wir jetzt brauchen.

Umso mehr bin ich erstaunt, dass viele Unternehmen immer noch abwarten, ob Verbraucherinnen und Verbraucher denn wirklich ihre Kaufentscheidung am Regal an Themen wie Recyclingfreundlichkeit einer Verpackung oder den Einsatz von Rezyklaten knüpfen. Auch verstehen manche die Erfüllung der neuen Recyclingquoten im Verpackungsgesetz nicht als ihre Aufgabe.

Wir wissen inzwischen, dass mehr als 50 Prozent des Plastiks, das aktuell in den Meeren landet, aus nur fünf asiatischen Ländern stammt. Die Volkwirtschaften dort holen Konsum nach, ohne dass sich zeitgleich eine funktionierende Abfallwirtschaft entwickelt. Sehen Sie Lösungsmöglichkeiten?

Das Konzept der erweiterten Produzentenverantwortung für Verpackungen war in Deutschland erfolgreich. Es verpflichtet den Hersteller, sich um seine Verpackungen auch nach dem Konsum zu kümmern. Wenn wir nicht an einem Strang ziehen, also nicht schon bei der Gestaltung von Verpackungen und Produkten das Recycling einbeziehen, können wir unsere Ziele nicht erreichen.

Wir stehen heute an einem wichtigen Punkt, wir haben die Chance, für Plastik, für Kunststoff eine verantwortungsvolle Nutzung zu schaffen, den Einstieg in eine weltweite Kreislaufwirtschaft, die diese Bezeichnung auch verdient.

Wie engagiert sich der Grüne Punkt als erfahrener Akteur auf globaler Ebene?

Als Gruppe mit dem Grünen Punkt sehen wir uns bei der Umsetzung  von Kreislaufwirtschaft, national wie international, in einer besonderen Verantwortung. Wir sind Pionier beim Kunststoffrecycling und zählen zu den Technologieführern in diesem Bereich. Für uns ist Kreislaufwirtschaft nicht Vision, sondern ein  Innovationsfaktor, der neue Märkte und damit Arbeitsplätze schaffen und sichern kann. Über die Mission 100 % möchten wir gezielt mit Industrie, Handel, Politik und Konsumenten ins Gespräch kommen und die Vorteile einer nachhaltigen Produktpolitik für Wirtschaft und Gesellschaft aufzeigen.

In den kommenden Jahren wird die Menge des neu produzierten Kunststoffs stark ansteigen. Lässt sich das überhaupt beherrschen?

Wenn wir hier in Deutschland und in Europa zeigen, dass eine Kreislaufwirtschaft funktioniert und dass sie Lösungen bietet, hat das eine große Strahlkraft. Wir können uns nicht darauf zurückziehen, die größten Verursacher des Meeresmülls seien woanders zu finden. Wir stehen hier genauso in der Verantwortung und müssen unsere Aufgaben erfüllen.