Polyproblem – Kauf dich frei

(K)eine Frage des Gewissens Können wir plastikfrei leben? Wohl kaum. Kunststoff ist allgegenwärtig und nicht vollständig zu ersetzen. Das gilt gleichermaßen für Konsumenten wie für die Wirtschaft. Können wir plastikneutral leben? Lässt sich unser Anteil an der Produktion von Kunststoffabfall kompensieren, indem wir Ausgleichsmaßnahmen finanzieren? Immer mehr NGOs und Sozialunternehmen, die Plastikmüll aus der Umwelt entfernen, bieten sogenannte Plastic Credits an. Sie lassen sich von Einzelpersonen und Unternehmen dafür bezahlen, in bestimmten Regionen eine bestimmte Menge Kunststoffabfall zu bergen und einer Verwertung zuzuführen. Der Gedanke dahinter klingt verlockend und ist bekannt aus dem Kampf gegen die Erderwärmung: Als klimaneutral gilt ein Land oder ein Unternehmen nicht erst, wenn es keine Treibhausgase mehr ausstößt (was ohnehin unmöglich ist), sondern wenn es nicht mehr CO₂ ausstößt, als es kompensieren kann. Deshalb lassen wir Bäume pflanzen, wenn wir einen Flug buchen. Lässt sich dieses Konzept auf den Kampf gegen den Plastikmüll übertragen? Was genau ist unter Plastikneutralität zu verstehen? Wie lässt sie sich messen? Und lässt sie sich so einfach erkaufen? Sollte der erste Schritt nicht sein, weniger neues Plastik einzusetzen, bevor Unternehmen und Personen dafür zahlen, den eigenen Fußabdruck auszugleichen? Neben diesen Grundsatzfragen stellt sich für den sich gerade entwickelnden Kompensationsmarkt beim Kunststoff noch ein weiteres Problem: die Abwesenheit von einheitlichen Standards. Es herrschen vollkommen unterschiedliche Bedingungen für die Vergabe von Plastic Credits, die von der einfachen Plastikmüllsammlung über die Müllsortierung bis hin zum Recycling oder der Weiterverarbeitung des Abfalls reichen. Damit eng verbunden ist die enorm große preisliche Spannbreite je Credit pro Tonne. Daran angeschlossen tauchen wiederum viele soziale Fragen auf: Wie können mit der Sammlung von Abfall beschäftigte Menschen im Globalen Süden vom „Plastik-Ablasshandel“ profitieren? Wie kann garantiert werden, dass eine solche Müllsammlung sozialen, ethischen und ökologischen Anforderungen genügt? Dieser POLYPROBLEM-Report geht der grundsätzlichen Frage auf den Grund, ob alternative Finanzierungsmechanismen ein wirksamer Beitrag zur Lösung der Plastikmüllkrise sind. Vorweg: Wenn es so kommen soll, ist noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten. 3 Diese Ausgabe des POLYPROBLEM-Reports entstand in Zusammenarbeit mit Yunus Environment Hub. Yunus Environment Hub (YEH) entwickelt und fördert Social-Business-Unternehmen, um eine sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft voranzutreiben und arbeitet zudem als Berater mit einer Vielzahl an Akteuren zur Stärkung von Nachhaltigkeit. Hierzu zählen sowohl Regierungsinstitutionen, öffentliche Einrichtungen und Kommunen als auch Stiftungen und Großkonzerne, die YEH bei der Umsetzung von sozial gerechten Nachhaltigkeitsstrategien unterstützt. Schwerpunktmäßig beschäftigt sich YEH mit den Themen Circular Economy, Abfallmanagement und Plastikrecycling, CO₂-Neutralität, Biodiversität und Aufforstung. www.yunusenvironmenthub.com info@yunuseh.com

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5MzU=