Polyproblem – Kauf dich frei

KEin Freibrief für ein „Weiter so!“ Die Erwartungen der Verbraucher an Unternehmen, Verantwortung für die Nachhaltigkeit ihrer Produkte zu übernehmen, ist gestiegen. Während große Konzerne unter diesem Kundendruck teils mühevoll in ihre sozial-ökologische Transformation investieren, suchen junge Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil von vornherein in sozial verantwortlichen und ökologischen Geschäftsmodellen. Sie sind es auch, die in der Mehrheit von Kompensationsangeboten Gebrauch machen und damit werben, plastikneutrale Unternehmen zu sein oder plastikneutrale Produkte zu führen.40 Ein Familienunternehmen, das sich vor allem getrieben durch die Geschäftsleitung schon vor langer Zeit dem ökologischen Handeln verschrieben hat, ist Schaebens. Das im nordrhein-westfälischen Frechen ansässige Unternehmen, das vor allem als Gesichtsmaskenhersteller vielen aus der Drogerie bekannt sein dürfte, setzt in Kooperation mit Plastic Bank selbst auf Plastik-Kompensation im Rahmen seiner Klimaschutzstrategie, zu der insgesamt acht Ziele im Bereich Plastik und Verpackung zählen.41 Neben der Plastikneutralität durch die Sammlung der jährlichen Gesamtmenge des von Schaebens in den Markt gebrachten Kunststoffs aus der Umwelt, gehört dazu auch eine Analyse der Recyclingfähigkeit von Verpackungen. Außerdem will das Unternehmen seine Recyclingquoten durch die Umstellung auf Monoverpackungen bei immer mehr Produkten erhöhen sowie den Rezyklatanteil in Verpackungen steigern. „Wenn man das Thema Nachhaltigkeit wirklich strategisch angehen will, sind zwei, drei Jahre nichts. Dabei sollten Kompensationsmaßnahmen immer bloß als komplementäre oder Übergangslösung zur Reduktion des Plastik-Fußabdrucks betrachtet werden und nicht als Freibrief für ein Weitermachen wie bisher“, mahnt Björn Hünemeyer, Leiter der Marketingkommunikation von Schaebens. Teil einer ganzheitlichen Plastik-Reduktionsstrategie sind idealerweise entsprechende Maßnahmen: 1. Verzicht auf den Einsatz problematischer oder unnötiger Kunststoffverpackungen 2. Umstellung von Einweg- auf Mehrwegangebote, wenn angebracht 3. 100-prozentige Wiederverwendbarkeit, Recycling- oder Kompostierfähigkeit der Kunststoffverpackungen 4. Festlegung eines ambitionierten Ziels für den Einsatz von Rezyklat in Kunststoffverpackungen Selbst die ambitioniertesten Unternehmen, die anhand eines solchen Maßnahmenkatalogs ihren Plastik-Fußabdruck innerhalb der eigenen Wertschöpfungskette maximal reduzieren wollen, dürften früher oder später vor zusätzlichen Herausforderungen stehen. „Uns ist die Kompensation wichtig, weil wir nicht auf Kunststoff als Verpackungsmaterial verzichten können. Würden wir dies tun, wäre das aus wirtschaftlicher und aus ökologischer Sicht nicht sinnvoll, weil die Alternativen bisher einfach nicht gut oder sinnvoll genug sind“, erläutert Hünemeyer. Viele Unternehmen entscheiden sich angesichts dieses Handlungsdrucks zunächst für die Finanzierung von Recycling- oder Sammelkapazitäten durch Kompensationsangebote direkt vor Ort.42 Dies bietet sich insbesondere für Unternehmen an, die einen Absatzmarkt in Regionen mit besonders hoher Kunststoffverschmutzung bedienen, dort aber aufgrund der lokalen Gegebenheiten über keine eigenen Sammel- bzw. Recycling- oder Rücknahmesysteme verfügen.43 Inwieweit dieses Handeln einer Verantwortung für den Umweltschutz oder Marketinginteressen folgt, ist bisher schwer ersichtlich.44 Bisweilen spielen beide Motivationen auch zusammen. 40 Aussagen aus dem Interview mit Joel Tasche, CleanHub und Vincent Decap, ZPO 41 Schaebens (o.J.) 42 Zinnes (de Risi) (2021) 43 Ebd. 44 Break Free From Plastic (2021) Die Unternehmen 28

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