Polyproblem – Kauf dich frei

Credits als bedeutende Vorteile. Sie helfen dabei, transparenter zu agieren, den Erwartungen ihrer Kooperationspartner gerecht zu werden und damit Vertrauen aufzubauen.25 Bürokratie-Kulturschock Auch wenn das Geschäftsmodell der Plastic Credits den oftmals chronisch unterfinanzierten Sammel- und Recyclingorganisationen neue Finanzierungsmöglichkeiten bietet – und damit einhergehend mehr unternehmerische Sicherheit sowie Möglichkeiten für neue Investitionen26 –, bringt das Konzept auch eine Hürde mit sich, die kleine wie große Projekte vor eine große Herausforderung stellt: die hohen Ansprüche an Dokumentation und Transparenz. In den Gesprächen mit den Projektanbietern wird deutlich, dass hier zwei Welten aufeinandertreffen. Standardisierer, Makler-Plattformen und große Unternehmen fordern detaillierte Aufzeichnungen der Verwertungskette des Plastiks vom Sammelort bis hin zur Herstellung und dem Verkauf des Rezyklats. Mehrere Gesprächspartner machen deutlich, dass eine große Herausforderung vor allem darin besteht, die Brücke zwischen der formellen Art der Dokumentationsanforderungen und der informellen Art der Projektaktivitäten zu schlagen. Viele der Abfallsammler besitzen beispielsweise keine Smartphones, um den Weg des Plastiks per QR-Codes zu dokumentieren. Gerade in Ländern, in denen die Gesetzgebung und Vorschriften bisher nicht die Standards nach westlichen Erwartungshaltungen erfüllen, stellt das Organisationen vor Hindernisse und hält Unternehmen von der Arbeit mit Plastic Credits als Finanzierungsinstrument ab. „Ich glaube nicht, dass es viele weitere potenzielle Projekte in unserem Umfeld gibt, die Zeit und Geduld haben, sich den Kontrollprozessen zu unterziehen – oder die es sich überhaupt leisten können“, bemerkt Agbata. Das Problem ist auch anderen Akteuren nicht unbekannt. Loek Verwijst von Control Union ist sich bewusst: „Jemand, der in Westeuropa den Standard schreibt, hat nicht unbedingt eine Vorstellung davon, wie die Betriebsprozesse beispielsweise in Indonesien ablaufen.“ In mehreren Gesprächen wurde auch deutlich, dass der hohe zusätzliche Zeitaufwand Projektleiter regelmäßig überlegen lässt, ob die Vereinbarungen mit Maklern weiterhin aufrechterhalten werden sollten oder ob ein Ausstieg aus dem Plastic-Credit-Markt nicht die finanziell sinnvollere Entscheidung darstellen würde.27 Andererseits sind die Vorgaben, die für den Verkauf von Plastic Credits erfüllt sein müssen, auch für die Projekte selbst von Vorteil. Sie helfen, neue Systeme und Strukturen aufzubauen, wo es vorher keine gab. „Wir haben jetzt offizielle Vorschriften zu Themen wie Kinderarbeit oder sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Das gibt Kunden eine Sicherheit, aber hilft vor allem auch uns selbst, unseren Umgang mit diesen Problemen zu formalisieren und zu vereinheitlichen“, sagt Prince Agbata. Nicht alle Projekte können durch externe Standards zertifiziert werden. Projekte mit begrenzten Laufzeiten von nur wenigen Wochen lassen beispielsweise kaum eine Zertifizierung zu. Die deutsche Organisation everwave, vormals bekannt als Pacific Garbage Screening, arbeitet zur Nutzung der Dokumentationssoftware mit dem deutschen Start-up CleanHub zusammen, das eine Handelsplattform für Plastic Credits aufgebaut hat. In deren System gibt es bisher keine externe Zertifizierung für einen bestimmten Standard, jedoch steht man auch hier im Austausch miteinander28. Stattdessen werden eigene Vorgaben erarbeitet und implementiert, die jedoch ähnliche Faktoren einschließen, wie „faire Löhne, keine Kinderarbeit oder die Motivation, Menschen vor Ort eine Arbeit zu geben, die normalerweise keine guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten“, berichtet Dr. Tilman Floehr, Technikchef bei everwave. 25 Interviewaussage Sahithi Snigdha Bhupathiraju, Waste Ventures India (WVI) 26 Ebd. 27 Interviewaussage Prince Agbata 28 Interviewaussage Joel Tasche, CleanHub 21

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5MzU=