Es ist also nicht nur neue Technologie erforderlich, sondern vor allem ein neues Kooperationsverständnis in den Unternehmen. Denn hinter dem Digitalen Produktpass steht die Idee, Produktinformationen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu teilen. Dagmar Glatz hätte digitale Produktpässe lieber heute als morgen für ihr gesamtes Sortiment. Allerdings ist es für sie nur eine Frage der Zeit, bis die Sache richtig in Fahrt kommt. Optimistisch stimmen sie schon allein die strengeren Regulierungen. „Die Auskunftspflichten bezüglich der Recyclingfähigkeit und des kreislauffähigen Produktdesigns sind schon jetzt umfangreich und werden weiter zunehmen. Das führt in jedem Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu einem enormen Aufwand, der sich nur durch standardisierte und automatisierte digitale Lösungen reduzieren lässt“, glaubt die dm-Nachhaltigkeitsverantwortliche. Entscheidend sei es, eine gemeinsame Sprache zu finden, ein Protokoll, in dem die Daten standardisiert ausgewertet werden können und das am Ende dazu führt, dass die Verwertungsmöglichkeit nach der Gebrauchsphase einheitlich und leicht zu bewerten ist. Heino Claussen-Markefka nennt das Beispiel einer Duschgel-Flasche. Die besteht aus einer Kappe, der Flasche selbst und dem Etikett. An der Produktion und dem Handling dieser drei Komponenten sind bis hin zum Befüllen acht unterschiedliche Akteure beteiligt – alle mit verschiedenen technischen Interessen und Sprachen. Bei R-Cycle hat man deshalb von vornherein eine offene Lösung angestrebt, dessen Basis bereits existierende Standards des weltweit führenden Standardisierers GS1 bilden, wie zum Beispiel die Global Trade Item Number (GTIN). Ein Konsortium aus Produktionsunternehmen und Anwendern soll ein möglichst breites Testen der Entwicklungen gewährleisten. Während man bei R-Cycle also auf einen offenen Standard setzt und damit neben einer digitalen Lösung vor allem ein neues Kooperationsmodell etablieren möchte, setzen andere Anbieter auf die Integration zusätzlicher Aufgaben und deren Lösungen. Das in Freiburg beheimatete junge Unternehmen recyda beispielsweise nimmt mit seiner Lösung besonders die Bewertung der Recyclingfähigkeit unter Berücksichtigung verschiedener Standards in den Blick. Auch recyda ermöglicht es, alle relevanten Daten bezüglich der Beschaffenheit einer Verpackung, ihrer Rezyklierbarkeit und ihres Rezyklatanteils auf einer Plattform zusammenzuführen und auszuwerten. Zusätzlich erlaubt es die Software aber, die Kompatibilität der eingesetzten Verpackung mit den Gesetzen und Verordnungen der unterschiedlichen Länder bezüglich der Erweiterten Produzentenverantwortung (EPR) zu bewerten – bis hin zur Kalkulation länderspezifischer Steuern und Abgaben. Vorausschauend eingesetzt, kann digitale Technologie also dabei helfen, eine Verpackung zu gestalten, die zugleich auf ihren ökologischen und wirtschaftlichen Impact hin optimiert ist. Ähnlich positioniert sich das niederländische Unternehmen circularise. Es erhebt den Anspruch, mit dem digitalen Produktpass gleich auch Reporting und Massebilanzierung anzubieten. Einen integrierten Ansatz verfolgt auch der SoftwareGigant SAP mit seiner Plattform „Responsible Design and Production“. Hier steht nicht der digitale Produktpass, sondern die Erfüllung der gesetzlichen Verpackungsanforderungen im Vordergrund, insbesondere das automatisierte Reporting der Erweiterten Produzentenverantwortung (EPR) und der Plastikverpackungssteuern. „Unsere Lösung führt alle relevanten Daten des gesamten Verpackungsportfolios eines Unternehmens zusammen, verknüpft Verpackungs- mit Logistikdaten und kann dann aus diesem einheitlichen Datenmodell verschiedene Reportings erzeugen, die für unterschiedliche Länder und deren regulatorischen Bedingungen spezifiziert sind“, erklärt Katharina Schweitzer, Consultant for Circular Economy Solutions bei SAP. 8
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5MzU=