Der Circularity Code

56 PREVENT Waste Alliance (2023) (2), S. 5 57 Vgl. Interviewaussagen Peter Nitschke, Plastic Bank, und Joel Tasche, CleanHub 58 Vgl. Plastic Bank (o. J.) 59 Circular Action (o. J.) (2) Bürokratie und Abgaben im Rahmen weiterer Regulierungen. Daher gilt es umso mehr, auch die Perspektiven der Abfallsammler, Recycler und Aggregatoren zu berücksichtigen und die Vorteile, die sich durch digitalisierte Prozesse für ihr Geschäft ergeben.56 Plattformen für das Lieferkettenmanagement, anhand derer Daten zentral abgebildet werden, bieten Herstellern, Inverkehrbringern und Recyclern wichtige Analysemöglichkeiten, um besser zu verstehen, wie sich ihre Stoffströme zusammensetzen, welche Trends sich bei bestimmten Materialien im Zeitverlauf abzeichnen und wie es um ihr Inventar steht. Das ist insbesondere nützlich für die Planung von Einnahmen und bei spezifischen Materialnachfragen – was vor allem der Fall ist, wenn eine direkte Verbindung zu Käufern oder dem globalen Rezyklatmarkt besteht und somit auch direkte Einsicht in Preisentwicklungen gewährleistet ist.57 Die Möglichkeit zu erzielende Verkaufspreise oder Prämien für ihre gesammelten Abfallmengen einsehen und untereinander vergleichen zu können, macht die Nutzung von Apps für die Abfallsammler und den Kunststoffabfall-Handel äußerst attraktiv. Der Zugang zu aktuellen Informationen über die Lokalisierung oder für die direkte Beauftragung zur Einsammlung von Abfällen und die Anzeige der nächstgelegenen Abnehmer ermöglicht es ihnen außerdem, ihre Arbeit effizienter und effektiver zu gestalten. Das verbessert im Idealfall die Chance auf eine regelmäßige Einkommensmöglichkeit oder sogar faire Entlohnung, Gesundheits- und Bildungsleistungen,58 insbesondere dort, wo digitale Lösungen an entsprechende Programme gekoppelt sind oder die allmähliche Integration des sogenannten „informellen Sektors“ zum Ziel haben. Hierfür sind allerdings Ansätze erforderlich, die eine Bezahlung nach Leistung und nicht nur nach gesammelter Menge ermöglichen, zum Beispiel basierend auf Zuschlägen unter Berücksichtigung der tatsächlich für die Sammlung aufgewendeten Zeit. Zu viel des Guten? „Die Vorteile digitaler Lösungen mögen zwar auf den ersten Blick auf der Hand liegen und dazu beitragen, verbesserte Lebens- und Arbeitsbedingungen für Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern zu schaffen. Digitale Lösungen können zudem die Voraussetzungen für eine Kreislaufwirtschaft verbessern, indem sie beispielsweise Materialströme nachvollziehbar machen und Transparenz über das Einhalten von Berichtspflichten und Erreichen von Recyclingzielen schaffen. Im praktischen Tagesgeschäft können Abfallsammler zum Beispiel durch digitale Apps mit Produzenten verbunden werden und Anreize erhalten, Material mit geringem Wert zu sammeln. Aber nicht alle informellen Abfallsammler haben Zugang zu solchen digitalen Apps. Daher ist nicht das gesamte Multiversum der digitalen Angebote nützlich, und es muss darauf geachtet werden, dass durch die neuen Systeme niemand ausgeschlossen wird“, sagen Ellen Gunsilius, Fachplanerin für Umwelt und Kreislaufwirtschaft bei der GIZ und ihr Kollege Steffen Blume, Projektmanager zur Verringerung der Eintragung von Plastikmüll in die Weltmeere. Sie sind in Abfall- und Kreislaufwirtschaftsprojekte in verschiedenen Ländern involviert und Teil der PREVENT Waste Alliance-Plastics-Arbeitsgruppe, in die sich auch viele digitale und zirkuläre Unternehmen einbringen. Diese zählte bereits über 20 nationale und internationale AbfallSammel-Apps, die allein in Indonesien auf dem Markt sind. Gunsilius und Blume leiten daraus einen Bedarf an Harmonisierung und Interoperabilität ab, weil andernfalls weiterer Fortschritt ausgebremst und Ressourcen für die immer gleichen Ansätze investiert würden. Neben einer gewissen technischen Offenheit auf Programmierebene der Apps59 setzt dies vor allem den Willen der Marktteilnehmer zu einer Kooperation für den übergeordneten Zweck voraus. „Wenn Standards für digitale Lösungen und Datennutzung geschaffen werden, diese aktualisiert und Regierungen und Marktteilnehmern zugänglich gemacht werden, würde der Mehrwert vielleicht anerkannt, und sie könnten durch Effizienz- und Skalengewinne einen Beitrag zu verbesserten Umwelt- und Lebensbedingungen schaffen“, wagen Gunsilius und Blume vorsichtig abzusehen. 41

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